Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat / KW-29 2024

von Johann Aeschlimann | July 2024
Multilateralismus: Eine von Russland angesetzte Debatte über “multilaterale Kooperation im Interesse einer gerechteren, demokratischen und nachhaltigen Weltordnung” produzierte den erwarteten Schlagabtausch zwischen zwei globalen Ordnungsvorstellungen, die sich beide auf die UNO-Charta berufen. Der russische Aussenminister warf den USA vor, der Welt ihren “Exzeptionalismus” aufzudrücken und von den westlichen Verbündeten “fraglosen Gehorsam” einzufordern. Er wurde von Iran, Belarus und China unterstützt, das den Begriff der “rechtsstaatlichen Ordnung” (rules based order) als “Parallelsystem” neben dem geltenden Völkerrecht und “Legitimierung von Doppelstandards und Ausnahmen” anprangerte. Die afrikanischen Vertreter nutzten die Sitzung, um auf die Vernachlässigung und Untervertretung Afrikas in den multilateralen Gremien hinzuweisen. Die meisten anderen Staaten schlugen Russland die völkerrechtswidrige Invasion in der Ukraine um die Ohren. Der Vertreter Südkoreas nannte die Debatte “surreal”. Die britische Vertreterin erklärte dem russischen Ratsvorsitzenden: “Während Sie uns erläutern, wie die Weltordnung nach Ihrer Auffassung gerechter, demokratischer und nachhaltiger werden kann, bombardiert Ihr Militär in der Ukraine systematisch Zivilisten”. Im Vergleich dazu äusserte sich die Schweiz, vertreten durch Bundesrat Cassis,  relativ zahm. Sie nannte die Invasion in der Ukraine in einem Zug mit dem Bürgerkrieg im Sudan und dem Nahen Osten, wo 75 Jahre “multilaterales Engagement” keinen Frieden gebracht hätten. Die schweizerische Zurückhaltung hing damit zusammen, dass Cassis die Ratssitzung zu nutzen suchte, um mit dem russischen Aussenminister Lawrow zusammenzutreffen, dem er die Ergebnisse des Ukraine-Gipfels auf dem Bürgenstock darlegen wollte. Dieses Ziel wurde erreicht, aber Lawrow sagte im Anschluss, er habe Cassis seine Zweifel an der neutralen Vermittlerrolle der Schweiz erklärt.

Gaza: Der Rat hat ein weiteres Mal den fortdauernden Krieg im Gazastreifen und die steigende Gewalt israelischer Siedler im besetzten Westjordangebiet debattiert. Der Vertreter des UNO-Generalsekretärs sagte, eine Einigung über einen Waffenstillstand müsse “jetzt” zustandekommen. Die USA berichteten, in den Verhandlungen gebe es “Fortschritt”. Die Schweiz wiederholte ihre seit langem vorgetragenenen Argumente, forderte umfassende Verhandlungen und erklärte sich bereit à jouer son rôle dans ce processus difficile mais nécessaire.

Regionale Zusammenarbeit: Die Kooperation auf regionaler Ebene – Westeuropa, Afrika, Lateinamerika, Asien – ist ein  wiederkehrendes Thema im Rat. Russland nutzte seine Präsidentschaft, um verwandte Formen im ehemals sowjetischen Machtbereich ins Licht zu rücken. Vertreter der Shanghai Cooperation Organization, der “Organisation für einen kollektiven Sicherheitsvertrag” und der “Gemeinschaft unabhängiger Staaten” sprachen vor dem Rat. Russland griff die NATO als abschreckendes Beispiel der “Domination eines Machtzentrums” an. Vertreter der Allianz hielten mit dem Argument dagegen, dass die Ukraine und Georgien die GUS verlassen hätten, nachdem Russland ihre Souveränität militärisch verletzt hatte. “Kollektive Sicherheit bedeutet nicht eine Einflusssphäre, und “Kooperation” erfordert nicht die Unterjochung von Souveränität”, sagte die britische Vertreterin. Die Schweiz sagte, die gemeinsame Grundlage jeder Kooperation sei die Einhaltung der Prinzipien der UNO-Charta.

Sanktionen: Sanktionsverfügungen des Sicherheitsrats – Kontensperren, Reisebehinderungen, Handelsembargos – sind für alle Staaten bindend, aber es gibt für die Betroffenen keine Rekursmöglichkeiten. Eine Verbesserung ist ein zentrales Anliegen der Schweiz. Sie hat sich seit Beginn des Jahrhunderts mit einer Gruppe anderer Staaten dafür eingesetzt. Nach langen Verhandlungen hat der Rat nun einen kleinen Schritt gemacht. Eine von Malta ausgehandelte Resolution wurde einstimmig verabschiedet. Das bisher in einzelnen Fällen geltende System einer “Ansprechperson” (focal point) wird auf alle 15 Sanktionsregimes ausgeweitet und eine “Arbeitsgruppe” für die Erörterung der Problematik eingesetzt. Die Schweiz bedauerte, dass die Sanktionsausschüsse nicht verpflichtet werden, jedes Begehren nach Rekurs automatisch aufzunehmen.

Myanmar: 30 Staaten, darunter die Schweiz, haben das Militärregime in Myanmar aufgefordert, die Gewalt zu “deeskalieren”, das humanitäre Völkerrecht zu befolgen und die Zivilbevölkerung zu schützen. Es gebe “glaubhafte Berichte”, wonach Vertriebene im Gebiet von Rakhine, viele davon Rohingya, als “menschliche Schutzschilder” missbraucht würden.

Schweizer Erklärungen:
Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat / KW 28-2024

von jaeschlimann | July 2024
Themen der Woche: Jemen, Ukraine, Kongo, Kolumbien, Westafrika/Sahel, Haiti, Zypern, Afghanistan, Prävention
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Schweiz im Sicherheitsrat / KW 27-2024

von jaeschlimann | July 2024
Themen der Woche: Gaza, Haiti, Myanmar