Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat / KW 32-2024

von Johann Aeschlimann | August 2024
Sudan: Die katastrophale Lage im Sudan war in der Berichtswoche Gegenstand von zwei Ratssitzungen. Zum einen erstattete der Ankläger  des Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court ICC) zum 39. Mal den halbjährlichen Bericht  über seine Ermittlungen zu den zwei Jahrzehnte zurückliegenden Greueltaten und deren Fortsetzung seit dem neuerlichen Ausbruch des Bürgerkriegs vor anderthalb Jahren. Zum anderen erneuerten die UNO-Experten ihre Warnungen vor der einsetzenden Hungernot im Land. Der Vertreter des UNO-Nothilfebüros teilte dem Rat mit, dass 26 Millionen Menschen im Land von «akutem Hunger» bedroht sind, und dass das Nothilfebudget lediglich zu 32 Prozent gedeckt ist. «Unsere Warnungen wurden nicht gehört», sagte der Vertreter des Welternährungsprogramms WFP. Die UNO-Vertreter erklärten, die «vergessene Krise» sei «vollständig von Menschen verursacht». Seit April 2023 bekämpfen sich eine Armee der Übergangsregierung und eine «Schnelle Eingreiftruppe» (Rapid Support Forces RSP)  in einem mörderischen Krieg, der keine Rücksichten auf die Zivilbevölkerung nimmt. Die von WFP konstatierte Hungersnot im Flüchtlingslager Zamzam nahe der Stadt El Fasher wird auf die Belagerung durch die RSP zurückgeführt. Der Vertreter der  sudanesischen Übergangsregierung konzedierte eine «schreckliche humanitäre Lage», bestritt jedoch, dass eigentlicher Hunger vorliege. Die Schweiz verlangte einen umgehenden Waffenstillstand. Zur strafrechtlichen Verfolgung der Urheber von Kriegsverbrechen – im Vordergrund stehen Vergehen gegen Frauen und Kinder – meldete der ICC-Ankläger Fortschritte bei der Zusammenarbeit mit der sudanesischen Übergangsregierung und bei den Ermittlungen gegen den Janjaweed-Führer Ali Abd al-Rahman. Dieser soll nächstes Jahr – als erster sudanesischer Verantwortlicher – vor Gericht in Den Haag gestellt werden. Der Ankläger sagte, im heutigen Sudan sei “Terror die allgemeine Währung”, und es herrsche das “Gefühl, dass Darfur oder Sudan eine gesetzlose Zone ist, in der jeder tun kann, was er will”. Dies abseits der Aufmerksamkeit der Welt und des Rats, der der Lage “alle Halbjahre einen Funken Aufmerksamkeit” schenke. Die Vereinigten Staaten machten darauf aufmerksam, dass einige Täter von heute schon vor zwanzig Jahren beschuldigt und nie zur Verantwortung gezogen worden seien. Die Schweiz wies darauf hin, dass der UNO-Menschenrechtsrat in Genf eine unabhängige Untersuchungskommission eingesetzt hat. Zusammen mit den anderen Ratsmitgliedern, die den ICC (“Römer Statut”) anerkennen, gab sie nach der Sitzung vor dem UNO-Mikrophon ein gemeinsame Unterstützungserklärung ab.

Frauen, Frieden, Sicherheit: Die prekäre Lage von Frauen und Kindern nach dem Abzug von UNO-Blauhelmtruppen war Thema einer Sitzung, in welcher viele Besorgnisse ausgedrückt wurden, die bei den Rückzugs-Entscheiden ungesagt blieben. Die zwei zuständigen UNO-Vertreterinnen machten deutlich, dass die “geschlechtsspezifische” Gewalt zunimmt, wenn die internationalen Schutztruppen der UNO oder der Afrikanischen Union abziehen. Sie illustrierten dies anhand der Fälle Irak, Haiti, Mali, Sudan und Kongo. Dort entstand nach dem Abzug der Blauhelme ein “Schutzvakuum”. Als Gegenbeispiele wurden Sierra Leone oder Mosambik genannt, deren Vertreter  dank der UNO-Präsenz bleibende Verbesserungen für Frauen und Kinder geltend machten. Die Zahl der UNO-Blauhelmtruppen ist in den vergangenen acht Jahren von über 121 000 auf rund 71 000 reduziert worden. Einige Staaten betonten die Bedeutung von gender advisers in den UNO-Operationen. China erklärte, der Schlüssel zu dauerhaften Erfolgen liege in der wirtschaftlichen Entwicklung: «Entwicklung ist die Grundlage für Frieden». Russland sagte, der «Gender-Faktor» bei der Überwindung von Konflikten und der Schaffung von Frieden werde überschätzt, und die UNO würde gescheiter überprüfen, welche negativen Folgen die amerikanischen und europäischen Sanktionen hätten. Die Schweiz sagte, jeder Übergang vom Konflikt zum Frieden müsse mit der Beteiligung der weiblichen Hälfte der Betroffenen geschehen: Une transition réussie est une transition avec et pour les femmes. Sie forderte eine systematischere Berücksichtigung der Leitlinien der UNO-Frauenkommission (CEDAW – Committee on the Elimination of Discrimination against Women) und erinnerte an eine Ratsresolution aus dem Jahre 2021, die eine stärkere Einbindung des gender-Aspekts in UNO-Friedensmissionen fordert. Nach der Sitzung gab  sie mit einer Reihe von Ratsmitgliedern eine entsprechende Erklärung vor dem UNO-Mikrophon ab.

Terrorismus ISIL/Da’esh: Alle halben Jahre erstattet die UNO Bericht über die Bedrohung durch den “Islamischen Staat”. Der Befund: Er lebt, in mannigfaltiger Gestalt, ohne zentrale Organisation und auf jeweilige regionale Eigenheiten zugeschnitten. Neben Afghanistan, wo der “Islamische Staat-Khorasan” aktiv ist, sind besonders Westafrika und das Sahel-Gebiet im Brennpunkt. Dort agieren mehrere ähnliche Gruppen. Gelänge es ihnen, an der nordwestafrikanischen Küste Fuss zu fassen, könne “ein Gebiet von Mali bis Nordnigeria unter ihre Kontrolle fallen”, sagte der UNO-Vertreter. Sierra Leone erklärte, auf dieses “neue Epizentrum des Terrorismus” entfalle die Hälfte aller terroristischen Akte in der Welt. Die Schweiz erklärte, der Verlass auf militärische Massnahmen allein sei ungenügend et pourrait même aggraver la situation. Das Schwergewicht müsse auf der “Prävention” liegen. China präzisierte, die zugrundeliegenden Ursachen von Terrorismus seien  “Armut und Arbeitslosigkeit”. Deshalb müssten die betroffenen Länder sich darauf konzentrieren, ihre Volkswirtschaften zu entwickeln, “und die internationale Gemeinschaft muss angemessene Entwicklungshilfe leisten”.

Kongo DRC: Der Rat hat die UNO-Blauhelmtruppe MONUSCO einstimmig ermächtigt, die afrikanische Militäroperation der South African Development Community (SADC) zu unterstützen. MONUSCO, die grösste und eine der längsten UNO-Friedensoperationen, ist im Begriff, sich aus der Demokratischen Republik Kongo (DRC) zurückzuziehen. SADC soll an ihre Stelle treten.

Schweizer Erklärungen

 
Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat / KW 31-2024

von jaeschlimann | August 2024
Themen der Woche: Gaza-Eskalation, Sudan, Zentralafrikanische Republik CAR
Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat / KW 30-2024

von jaeschlimann | July 2024
Themen der Woche: Jemen, Syrien, Gaza, Ukraine, Zentralasien, Genfer Konventionen