Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat KW 22-2024

von Johann Aeschlimann | June 2024
Gaza: Hamas bleibt militärisch handlungsfähig, Israel setzt die Abschnürung von Rafah an der Grenze zu Ägypten fort, die Not der 2 Millionen Vertriebenen ist unverändert gross: Der UNO-Sondergesandte hatte dem Rat wenig Neues zu berichten. Er rief dazu auf, mit einer neu gebildeten, “technokratischen” palästinensischen Regierung zusammenzuarbeiten. Algerien arbeitet an einer Resolution, die den Angriff auf Rafah untersagen soll. China kündigte an, es werde in Bälde eine Konferenz über eine Zweistaatenlösung vorschlagen.  Algerien kritisierte die “Verjudung” (Judaization)  der heiligen Stätten in Al-Quds (Jerusalem). Palästina machte darauf aufmerksam, dass der oft antisemitisch verstandene Kampfruf “vom Fluss bis ans Meer” (free free Palestine from the river to the sea)  auch vom israelischen Premierminister verwendet werde, um den Anspruch auf die besetzten westjordanischen Gebiete zu propagieren: “Israel vom Fluss bis ans Meer”. Israel behauptete, der jüngste Massentod in einer Flüchtlingsunterkunft sei auf den Brand eines Hamas-Munitionslagers zurückzuführen, und nicht auf seinen “präzisen Schlag”, der zwei Kilometer weiter weg stattgefunden habe. Die Schweiz verurteilte diesen israelischen Angriff ebenso wie die jüngsten Raketenangriffe von Hamas auf Tel Aviv. Sie forderte einen “sofortigen Waffenstillstand”, und sie erinnerte Israel daran, dass der Richtspruch des Internationalen Gerichtshofs bindend ist. Das Gericht hatte festgestellt, dass das israelische Vorgehen “das Risiko eines Völkermords” gegen die Palästinenser einschliesst und entsprechende Mässigung gefordert. Die Schweiz machte auch auf die aggressive israelische Siedlungspolitik im besetzten Gebiet westlich des Jordans aufmerksam. Sie verurteilte “die von israelischen Siedlern ausgeübte Gewalt”.  Die wohl realistischste Einschätzung der Lage lieferte Russland: “Wir sollten nicht erwarten, dass die israelische Militärmaschine ihre Aktionen bald einstellen wird”.

Syrien: Der UNO-Sondergesandte warnte erneut, dass die vom Gaza-Krieg ausgehende Spannung in der Region das Risiko einer weiteren Eskalation in Syrien erhöht. Er beklagte “das Fehlen eines klaren politischen Pfads” zur Umsetzung der zehn Jahre alten Sicherheitsratsresolution, die einen Ausgleich zwischen der Assad-Regierung und seinen Gegnern verlangt. Die USA erklärten, sie würden an ihren einseitigen Sanktionen gegen Syrien festhalten, solange ein solcher “politischer Prozess” ausbleibe. Die Schweiz wiederholte ihre Bereitschaft, ihre guten Dienste in Genf “für alle Initiativen oder Friedensgespräche unter Führung der UNO” zur Verfügung zu stellen.

Flüchtlinge: Der UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge sagte, im vergangenen Jahr seien 114 Millionen Personen durch “Krieg, Gewalt und Verfolgung” vertrieben worden, und im laufenden Jahr werde die Zahl noch höher. Das humanitäre Hilfspersonal sei am Anschlag, und die Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des Kriegsrechts “nahezu inexistent”.  Er nannte Hauptschauplätze: Sudan (9 Millionen), Syrien (13 Millionen), Myanmar (3 Millionen). Der Vertreter Sierra Leones erinnerte daran, dass fast die Hälfte aller innerhalb eines Landes Vertriebenen auf Afrika entfallen. Viele Ratsmitglieder sprachen vom Geld und nannten zusätzliche Beträge, die sie dem UNO-Hochkommissariat zur Verfügung stellen (Südkorea hat seinen Beitrag vervierfacht). Die Schweiz propagierte eine mit Gambia und dem IKRK lancierte “Rabat-Initiative” mit dem Ziel, in einzelnen Ländern focal points zur Suche nach verschollenen Migranten einzurichten.

Nordkorea: Ein neuerlicher Raketenstart Nordkoreas war Anlass einer Debatte, in welcher Russland und China das Recht Pjöngjangs auf “Selbstverteidigung” geltend machten, und der Rest der Welt auf die systematische Verletzung der UNO-Sanktionen hinwies, welche dem Kim-Regime die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen und Raketentechnologie untersagen. Die Schweiz, Vorsitzende des Sanktionsausschusses, stimmte in diesen Chor ein. Sie wies darüberhinaus darauf hin, dass Nordkorea den internationalen Hilfsorganisationen den Zugang weiterhin verweigere, obwohl der Staat dort seine Bevölkerung nur ungenügend versorgen kann. Der Vertreter Südkoreas sagte, ein nordkoreanischer Satellitenstart koste so viel wie die Ernährung des ganzen Landes während sieben Monaten.

Südsudan: Mit der knappstmöglichen Mehrheit hat der Rat die Sanktionen gegen Südsudan (Waffenembargo, Kontensperren und Visa-Verweigerung für Einzelpersonen) verlängert. 9 Staaten stimmten zu, darunter die Schweiz. 6 enthielten sich (Russland, China, die 3 afrikanischen Staaten und Guyana). Sie machten geltend, Südsudan habe seine Staatlichkeit gefestigt, und werde durch das Sanktionsregime an der Ausübung staatlicher Aufgaben gehindert.

Irak: Nach 20 Jahren kommt die UN-Mission in Irak (UNAMI - UN Assistance Mission for Iraq) an ihr Ende. Der Rat hat das Mandat einstimmig bis Ende 2025 verlängert. Bis Ende dieses Jahres muss ein “Übergangsplan” zur Abwicklung der Mission vorliegen. Dies entspricht dem Wunsch der irakischen Regierung, die im Mai 2023 eine Überprüfung mit dem Ziel der Beendigung der Mission gefordert hatte.

Libyen: Mit 9 Stimmen (darunter die Schweiz) bei 6 Enthaltungen hat der Rat die Erlaubnis zur Durchsuchung von Schiffen von und nach Libyen um ein Jahr verlängert. Die Resolution ermächtigt alle Staaten sowie regionale Organisationen, Schiffe aufzuhalten und zu durchsuchen, die im Verdacht stehen, das gegen Libyen erlassene Waffenembargo zu verletzen. Das betrifft insbesondere die EU-Operation “IRINI”.  Die afrikanischen Ratsmitglieder begründeten ihre Enthaltung damit, dass der Sanktionsausschuss zu wenig Mitbestimmung bei der Autorisierung von Massnahmen habe.

Frauen und Jugend: Mosambik hatte eine Debatte über die Rollen von Frauen und Jugendlichen für Frieden und Sicherheit angesetzt. Sie wurde zu einem Hochamt an Bekenntnissen zum besseren Einbezug der genannten Kategorien in Entscheidungsprozesse.

Myanmar: An einer von Grossbritannien einberufenen informellen Sitzung befasste der Rat sich mit der Lage der Minderjährigen in Myanmar, wo eine ganze Generation mit Gewalt und Krieg aufwächst. Die Schweiz sprach dem vom UNO-Menschenrechtsrat eingesetzten Unabhängigen Untersuchungsmechanismus ihre Unterstützung aus und betonte, der Sicherheitsrat müsse Myanmar genau beobachten.

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Schweiz im Sicherheitsrat / KW 27-2024

von jaeschlimann | July 2024
Themen der Woche: Gaza, Haiti, Myanmar