Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat / KW 33-2024

von Johann Aeschlimann | August 2024
Afrika: Afrika ist im Sicherheitsrat unterrepräsentiert und will eine Korrektur – hier und jetzt. Sierra Leone setzte als Ratsvorsitzender eine hochrangige Debatte an und stellte im Namen des Kontinents die handfeste Forderung: Zu den heutigen drei nichtständigen Sitzen soll Afrika zusätzlich zwei ständige Sitze plus drei nichtständige erhalten. Über die ständigen Sitze soll die Afrikanische Union selbst bestimmen. Das Veto? Afrika würde nur dann darauf verzichten, wenn die heutigen ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien es ebenfalls tun. Die Begründung der Forderung: Erstens ist der afrikanische Kontinent Schauplatz der meisten Konflikte und damit Hauptthema des Rats. Und zweitens ist die Zusammensetzung des Rats derart aus dem Lot, dass eine Korrektur nun fällig ist. Lippenbekenntnissen zum Zukunftspotential Afrikas prägten die Debatte, die aber weitgehend ein Schaulaufen der seit Jahrzehnten kursierenden Reformvorschläge war, welche sich gegenseitig blockieren. Neben den Afrikanern fordern vier regionale Platzhirsche (Japan, Deutschland, Indien, Brasilien) als “G4” ständige Sitze für sich. Ihre regionalen Rivalen (Italien, Spanien, Argentinien, Kolumbien, Kanada, Türkei, Pakistan) schlagen eine Erweiterung des Rats und die Schaffung einer neuen Kategorie von Mitgliedern mit längerer Mandatszeit und Wiederwahlmöglichkeit vor. Eine andere Idee ist, regionale Organisationen (zum Beispiel die EU) in den Rat aufzunehmen. Ein privater Vorschlag aus der Schweiz (Ambühl, Meier, Thürer) würde den Rat sowohl um ständige als auch nichtständige Mitglieder erweitern. Die Schweiz lehnte sich nicht zum Fenster hinaus und beschränkte sich auf  Platitüden über die Notwendigkeit eines Umbaus der Ratsstruktur. Darunter auch eine Anleihe bei einem afrikanischen Sprichwort: «Quand la musique change, la danse doit faire de même.» Il est donc grand temps que le Conseil s’adapte à la musique du 21e siècle.

Gaza: Nach der israelischen Attacke auf eine Schule (über 90 Todesopfer) ist der Rat zu einer dringlichen Sitzung zusammengetreten. Israel erklärte dazu, Ziel des Angriffs sei eine als Unterschlupf von Hamas-Kämpfern benutzte Moschee auf dem Schulareal gewesen, und es seien 31 Kämpfer getötet worden. Zur Lage in der Region berichtete die UNO-Vertreterin, die Gefahr einer regionalen Eskalation sei “greifbarer und ernüchternder denn je”. Fast täglich fänden Schusswechsel an der israelisch-libanesischen statt, und im israelisch besetzten Westjordangebiet “einschliesslich Ostjerusalem” wachse die Gewalt auf beiden Seiten. Die USA warben für die neueste Runde ihrer zusammen mit Katar und Ägypten versuchten Vermittlung. Frankreich unterstützte die anstehende  Verlängerung des Mandats der UNO-Blauhelmtruppe im Libanon (UNIFIL). Die Schweiz verurteilte alle Verletzungen des humanitären Völkerrechts auf allen Seiten. Sie rief in Erinnerung, dass Zivilisten nicht als menschliche Schutzschilde für militärische Einrichtungen benutzt werden dürfen. Selbst wenn dies der Fall sei, müsse das humanitäre Völkerrecht beachtet werde, erklärte sie an die Adresse Israels:  Même quand cette règle est violée, cela ne suspend en rien l'obligation d'Israël de se conformer strictement au droit international humanitaire dans la conduite des hostilités. Cela comprend les principes de distinction, de précaution et de proportionnalité. Sierra Leone und die Schweiz wiesen darauf hin, dass mittlerweile im Gazastreifen Fälle von Polio (Kinderlähmung aufgetreten sind) und forderten eine umfassende und ungehinderte Impfkampagne.

Ukraine: Russland hat eine informelle Ratssitzung einberufen, um den Einfall ukrainischer Truppen auf russisches Staatsgebiet als Völkerrechtsverletzung anzuprangern. Die Schweiz drehte den Spiess um. Russland benutze den Rat “einmal mehr, um seine einseitige Sicht der Realität zu propagieren”. Berichte von Untersuchungsorganen des UNO-Menschenrechtsrats, der UNO und der OSZE zeigten, dass Russland die ukrainische Infrastruktur “in grossem Mass” zerstöre und damit Kriegsrechtsverletzungen begehe. Sie  forderte, die Urheber zur Verantwortung zu ziehen.

Südsudan: Ende Jahr sollen Wahlen stattfinden, die gemäss einem Friedensabkommen aus dem Jahr 2018 den Übergang zu einer stabilen Zukunft des jungen Landes (Unabhängigkeit 2011) einleiten sollen. Gespräche seien im Gang, berichtete der UNO-Sondergesandte, aber die Oppositionsgruppe Sudan People’s Liberation Movement-in-Opposition (SPLM-IO) sei ausgestiegen. Zudem braue sich hinsichtlich der humanitären und wirtschaftlichen Lage des Landes “ein perfekter Sturm” zusammen. Die Schweiz forderte Beharren auf einem “sicheren und freien politischen Raum” und volle Beteiligung der Frauen. Sie wies auf die Auswirkungen des Klimawandels (sowohl untypische Dürren als auch Überschwemmungen) hin und würdigte die Verbesserung der diesbezüglichen Analysekapazität in der UNO-Mission. An einer von der Schweiz organisierten informellen Ratssitzung hatte der Kommandant der UNO-Mission im Südsudan (UNMISS) dargelegt, wie klimabedingte Risiken durch den Einsatz neuer Technologien besser eingeschätzt werden können.

Jemen: Der monatliche Bericht des UNO-Sondergesandten wurde durch die Angriffe der Huthi-Rebellen auf humanitäre Einrichtungen und humanitäre Helfer der UNO und anderer Organisationen dominiert. Mehrere von ihnen wurden als Geiseln genommen, und Anfang Monat stürmten die Huthi das Büro der UNO-Nothilfeorganisation in Sanaa. Die Schweiz verurteilte diese Angriffe und verlangte die Freilassung aller Geiseln.

Somalia: Einstimmig hat der Rat das Mandat der afrikanischen Militärmission ATMIS (African Union Transition Mission in Somalia) bis Dezember dieses Jahres verlängert und die UNO beauftragt, die somalischen Streitkräfte für gemeinsames Vorgehen mit ATMIS gegen die Al Shabaab-Milizen zu unterstützen. Gemäss Fahrplan sollen Polizei und Armee in Somalia bis Ende 2024 auf eigenen Füssen stehen und ATMIS (Truppen aus Burundi, Djibouti, Äthiopien, Kenia und Uganda) abziehen.

 Georgien: Auf Antrag von Frankreich, Grossbritannien, Malta, Slowenien und den USA befasste sich der Rat in geschlossener Sitzung mit dem 10. Jahrestag des russisch-georgischen Kriegs im August 2014. Um die abtrünnigen Gebiete Süd-Ossetien und Abchasien zu unterstützen, hatte Russland damals Georgien angegriffen. Der Krieg wurde nach wenigen Tagen unter französischer Vermittlung beendet, die beiden Gebiete bleiben von Georgien abgetrennt und sind von Russland als unabhängig anerkannt.

Nordkorea: Unter schweizerischer Leitung hat der Rat sich mit der Frage befasst, wie die Überwachung der UNO-Sanktionen sichergestellt werden kann, nachdem ein russisches Veto  das Mandat der zuständigen Expertengruppe beendet hat. Die Schweiz ist Vorsitzende des betreffenden Sanktionsausschusses.

Schweizer Erklärungen:

 
Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat / KW 32-2024

von jaeschlimann | August 2024
Themen der Woche: Sudan, WSP Frauen, Frieden, Sicherheit, ISIL Da’esh Terrorismus, Kongo DRC
Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat / KW 31-2024

von jaeschlimann | August 2024
Themen der Woche: Gaza-Eskalation, Sudan, Zentralafrikanische Republik CAR